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Die innere Uhr

Illustration: Ein Kreis der die Gesichter von Sonne und Mond und zugeschriebene Eigenschaften, wie Lachen und Nachdenklichkeit, hell und dunkel, wach und schlafend in den Gesichtszügen vereint. Drumherum ein Außenkreis mit Strahlen auf einer Hälfte und Mondphasen auf der anderen. Im Hintergrund das Ziffernblatt einer Uhr

Eine intakte innere Uhr sorgt dafür, dass wir nachts ruhen und uns erholen können und tagsüber aktiv und leistungsfähig sind. Gekoppelt ist dieses System an die Drehung der Erde und den damit verbundenen Wechsel von Hell und Dunkel.

Foto: Eine Mimose. Die feingliedrigen Blätter einer Zweigspitze haben sich unter der Berührung eines Zeigefingers geschlossen.

Zuständig für unsere innere Uhr ist ein sogenannter Nervenknoten namens Nucleus suprachiasmaticus. Er liegt über der Kreuzung der beiden Sehnerven und gibt Informationen über Helligkeit und Dunkelheit weiter. Am Ende der Informationskette steht die Produktion des Schlafhormons Melatonin. Wird Melatonin ausgeschüttet, werden wir müde. Wird die Produktion gedrosselt, schwindet dieser Effekt. An den 24-Stunden-Rhythmus der Erdrotation haben sich im Laufe der Evolution die Körpersysteme fast aller Lebewesen angepasst. Er beeinflusst unser Schlafverhalten und die Aktivität unserer Organe. Das Besondere: Der Rhythmus ist nicht ausschließlich durch das Licht vorgegeben, sondern hat sich auf 24 Stunden eingestellt. So beobachteten Forscher schon im 18. Jahrhundert, dass die Mimose, eine Pflanzenart, ihre Blätter unabhängig vom Tageslicht im 24-Stunden-Rhythmus öffnete und schloss.

Nobelpreis dank Fruchtfliegen

Mit dem Schlaf-wach-Rhythmus beschäftigt sich ein ganzer Wissenschaftszweig: die Chronobiologie. Drei US-Forscher dieser Disziplin erhielten 2017 den Nobelpreis in der Kategorie „Physiologie oder Medizin“. Die Gewinner Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young haben bereits in den 1980er und 1990er Jahren mit Hilfe von Fruchtfliegen herausgefunden, wie sich Lebewesen mit der Erdrotation synchronisieren.

Fotoreihe v. l. n. r.: Eine Schleiereule, eine Fruchtfliege, eine Lerche

Eulen und Lerchen

Die innere Uhr ist allerdings nicht in Stein gemeißelt. Sie kann von Mensch zu Mensch und vor allem von Typ zu Typ unterschiedlich ticken. So startet der Typ „Lerche“ früh in den Tag und geht zeitig schlafen. Die „Eulen“ beginnen den Tag später und bleiben abends länger wach – vorausgesetzt, sie können ihren Tagesablauf und Schlafrhythmus nach ihrer inneren Uhr ausrichten.

Störungen des Schlaf-wach-Rhythmus

Jetlag

Foto: Ein Holzflugzeug auf einer Landkarte. Im Hintergrund ein roter Wecker.

Die innere Uhr wird besonders spürbar, wenn wir durch die Zeitzonen reisen. Forscher vermuten, dass bei einem Jetlag teilweise sogar die einzelnen Schlafphasen durcheinandergeraten und ihre natürliche Abfolge erst nach Tagen oder Wochen wiederhergestellt ist. In jedem Fall aber passt nach einem Interkontinentalflug die innere Uhr nicht mehr zur aktuellen Ortszeit. Die Herausforderung: Entweder deutlich länger wach bleiben oder früher zu Bett gehen, als es dem persönlichen Tag-Nacht-Rhythmus entspricht. Problematisch für den Körper wird es etwa ab sechs bis acht Stunden Zeitverschiebung. Es kann neben Schlafstörungen und Schlaflosigkeit zu Kopfschmerzen, Schwindel, Stimmungsschwankungen und verminderter Leistungsfähigkeit kommen.

Zeitumstellung

Die Umstellung von Sommer- auf Winterzeit und umgekehrt kann dem menschlichen Organismus Schwierigkeiten bereiten. Denn die innere Uhr tickt in ihrem eigenen 24-Stunden-Takt und benötigt eine Weile, um sich auf die neue Zeit einzustellen. Es können ähnliche Symptome wie bei einem Jetlag auftreten, allerdings in abgeschwächter Form. Wer eh schon Schlafstörungen oder organische Erkrankungen hat, sei am stärksten von der Zeitumstellung betroffen.

Schichtarbeit

Wer in Schichten arbeitet und seine Schlafzeiten danach ausrichten muss, kann nicht nach seiner inneren Uhr leben. Studien zeigen, dass besonders Nachtschichten auf Dauer eine große Belastung darstellen, ganz gleich, ob der Betroffene eine Eule oder eine Lerche ist.

Blinde Menschen

Foto: Ein aufgeschlagenes Buch auf dem Schoss einer blinden Person. Die Hände lesen Brailleschrift.

Bei vollblinden Menschen, die den Unterschied zwischen Hell und Dunkel nicht wahrnehmen können, tickt die innere Uhr oft anders. Ihr Körper erkennt nicht, wann Tag und wann Nacht ist. Dadurch wird die Produktion von Melatonin gestört und die 24-Stunden-Taktung gerät durcheinander. Schwierigkeiten beim Einschlafen und Durchschlafen sowie Tagesmüdigkeit sind eine häufige Folge. Dieses Phänomen nennt sich Non-24. Die innere Uhr dieser – übrigens nicht ausschließlich blinden – Menschen hat beispielsweise einen 24,5- oder 25-Stunden-Rhythmus. Auch das Schlafen im Weltraum ist von dieser Rhythmusabweichung betroffen. Der Tagesrhythmus weicht mit der Zeit immer stärker von dem anderer Menschen ab. US-amerikanischen Studien zufolge leidet über die Hälfte der vollblinden Menschen unter Non-24. Schlafmittel und spezielle Medikamente können im Einzelfall und nach ärztlicher Rücksprache Abhilfe schaffen.

Die innere Uhr und ihr Einfluss auf die Gesundheit

Foto: Eine Frau hält ihre Hand an den Kopf und starrt gedankenverloren vor sich hin.

Lebt ein Mensch dauerhaft entgegen seiner inneren Uhr, steigt laut Medizinern das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Zudem kann das Abweichen vom Tag-Nacht-Rhythmus zu Schlafstörungen, wie Einschlafstörungen und Durchschlafstörungen, Schlafmangel und Tagesmüdigkeit führen.

Viele Schlafforscher plädieren für ein flexibleres Arbeitszeitmodell. Sie sprechen vom „sozialen Jetlag“, wenn eine Gesellschaft den Menschen einen Schlaf-wach-Rhythmus vorgibt, der nicht ihrer eigenen inneren Uhr entspricht. Auch Schüler sind davon betroffen. Der reguläre Schultag startet in Deutschland um acht Uhr morgens. Wenn in der ersten oder zweiten Stunde eine Klassenarbeit geschrieben wird, haben Eulen das Nachsehen.

Dazu kommt, dass wir unsere innere Uhr manipulieren, indem wir kaum noch mit Tageslicht in Berührung kommen – so die Theorie von Professor Till Roenneberg vom Institut für Medizinische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Wir gehen im Herbst und Winter im Dunkeln aus dem Haus, verbringen unsere Zeit in Büros mit künstlichem Licht, kehren im Dunkeln zurück nachhause und setzen uns dort weiter der Dauerdämmerung aus. Die Folge: Der Kontrast zwischen Hell und Dunkel, Tag und Nacht verschwimmt, die innere Uhr gerät aus dem Takt und wir können nicht mehr gut schlafen. Als es noch kein elektrisches Licht gab, mussten die Menschen ihre Tagesgestaltung nach dem Sonnenlicht richten – und damit automatisch nach ihrer inneren Uhr.

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