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Schlafen lernen für Kinder: vom Einschlafen zum Durchschlafen

Besonders in den Nachtstunden glühen die Elternforen: Übermüdete Mütter und schlaflose Väter suchen verzweifelt nach einer Antwort in den Weiten des Internets: Ab wann schlafen Babys durch? Wie lernen Kinder Durchschlafen? Wie oft ist aufwachen normal bei Kindern, Babys oder Säuglingen? Wie kann mein Kind schnell schlafen lernen? Und das Wichtigste: Werde ich jemals wieder schlafen können?

In der Hitze des Gefechts ums Einschlafen und Durchschlafen vergessen übermüdete Eltern manchmal, in sich hineinzuhören und darauf zu vertrauen, dass niemand ihr Kind besser kennt, als sie selbst. In ihrer Verzweiflung greifen sie zu fragwürdigen Ratgebern oder hören auf Tipps, die ihrem Bauchgefühl widersprechen.

Kann man schlafen lernen beschleunigen?

Grundlegend gibt es zwei pädagogische Konzepte zum Thema schlafen lernen. Die neuere Strömung, die bedürfnisorientierte Erziehung oder Attachment Parenting, empfiehlt die Einschlafbegleitung. Die ältere Methode verfolgt ein gegenteiliges Erziehungskonzept. Sie wird häufig mit dem Kern ihrer Vorgehensweise zusammengefasst: schreien lassen.

Schlafenlernen durch Schreienlassen?

Foto: Ein Kleinkind steht weinend an seinem Bettgitter

Das Konzept „schreien lassen“ zieht sich durch unterschiedliche, teils moderne Erziehungsratgeber. Einzug gehalten in die Erziehungsansichten hat es mit einem Erziehungsratgeber des Dritten Reichs: „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ war das Standardwerk jener Zeit, dessen Methoden seither Generationen prägten. Auch nach der Nazizeit wurden Vorgehensweisen und Grundannahmen unhinterfragt übernommen und nicht als Überrest einer durch Krieg geprägten Zeit mit despotischer Weltsicht betrachtet und abgeschafft.

Grundlage dieser Methode zum schlafen lernen bildet die Annahme, dass bereits Säuglinge das Schreien manipulativ gegen ihre Eltern einsetzen und förmlich Nähe und Zuneigung von ihnen erpressen. Sich dem entgegenzustellen, wirkt dieser Logik zufolge charakterbildend für das Kind, weist ihm seinen Platz zu und schafft so eine klare familiäre Rangfolge. Ursprüngliches Ziel der von der Lungenärztin Johanna Haarer entwickelten Methode war das Brechen des Willens und das Gefügigmachen der Kinder.

Das der Methode zugrunde liegende Kinderbild ist nicht nur stark negativ gezeichnet, es überschätzt die Kleinen auch: Erpresserisches Verhalten setzt analytisches Denken voraus, das über den eigenen Kosmos hinausgeht – eine solche Reflektion der Umwelt liegt Babys noch fern.


Achtung
Bindungsforscher, Neurologen und Psychoanalytiker forschen bereits seit den 1970er Jahren an den schwerwiegenden Folgen für Körper und Geist der bindungsschädigenden Erziehungsmethode des Schreienlassen. Bis heute befinden sich solche Empfehlungen selbst in den Bestsellern unter den Ratgebern wie Jedes Kind kann schlafen lernen.

Andauerndes Schreien – was passiert im Kind?

Schreien ist die finale Möglichkeit für Säuglinge, um auf ihre Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Schreien kostet immense Kraft und wird daher erst in letzter Instanz als Notsignal genutzt, wenn das Leben durch Hunger oder Alleinsein bedroht scheint. Auch die Reaktion der Eltern ist auf das Schreien der Kinder ausgelegt – die Schreie bewirken eine vermehrte Hormonausschüttung bei den Bezugspersonen. Nicht zu reagieren, fühlt sich daher in der Regel falsch an. Ist es auch: Das Kind wird zwar nach einiger Zeit – die meisten Ratgeber berichten von etwa drei bis fünf Tagen – nicht mehr schreien und ohne Sie einschlafen, doch dieser „Erfolg“ kann schwere Folgen haben. Hart gesagt, hat das Kind aufgegeben.

Foto: Eine lächelnde Mutter hält ihr Kind in den Armen und stillt
Babys besitzen noch keine wirksame Regulation ihrer Gefühle. Sie müssen stets von außen beruhigt und getröstet werden. Je schneller es Trost und Halt bekommt, desto einfacher ist ein Kind zu beruhigen. Setzen Sie sich jedoch nicht unnötig unter Druck. Sie schädigen Ihr Kind nicht nachhaltig, wenn Sie erst einmal kurz durchatmen oder herunterkauen, bevor Sie sich zum Trösten aufmachen. Erst ein langfristiges und regelmäßiges absichtliches Ignorieren der Schreie setzt unterschiedliche Vorgänge mit tiefgreifenden psychischen und physischen Resultaten in Gang.

Körperliche Auswirkungen:

Schreien lassen führt zu einem über lange Zeit erhöhten Cortisolspiegel, der dauerhaft das Wachstum des Hippocampus hemmt. Dieser ist das Zentrum für Angstregulierung im Gehirn.

Im Nervensystem bilden sich zusätzliche Synapsen, die später für eine Überversorgung an Stresshormonen verantwortlich sein können und damit die Entwicklung von Depressionen und Angststörungen begünstigen. Die Schmerzrezeptoren im Gehirn werden aktiviert und das Schreien führt zu tatsächlichen körperlichen Schmerzen. Eine ausbleibende Beruhigung setzt hier eine Spirale zwischen zunehmendem Schmerz und Schreien in Gang. Das Immunsystem wird geschwächt. Wachstum und Lernfähigkeit können dauerhaft beeinträchtigt werden. Zum Schluss kommt die absolute physische und psychische Erschöpfung. Das Kind resigniert und schläft am Ende seiner Kräfte ein – nach außen ein Erfolg der Methode.

Foto: Ein kleiner Junge steht vor einer Wand. In seiner Hand hält er einen Teddybären. Hinter ihm ein düsterer Schatten in Form eines Gespensts

Psychische Einflüsse:

In der Amygdala, dem Bereich im Gehirn für Gefühle und emotionale Erfahrungen, werden starke Gefühle der Resignation und Todesangst abgespeichert. Forscher diskutieren schwerwiegende Einschränkungen auf die spätere Bindungs- und Beziehungsfähigkeit.

Das ausbleibende Trösten signalisiert dem schreienden Baby, es sei nicht wichtig. Die Folgen auf das Selbstwertgefühl sind fatal.

Einschlafbegleitung – mit Sicherheit in den Schlaf

Die Einschlafbegleitung berücksichtigt das grundlegende Bedürfnis der Kinder, sich während der schutzlosen Phase des Schlafens der Anwesenheit einer schützenden Bezugsperson sicher zu sein. Neugeborene schlafen aufgrund dieses evolutionär verankerten Schutzmechanismus am ehesten auf dem Arm oder in sich bewegenden Objekten, wie Kinderwagen, Wiege oder auch Auto, ein. Die körperliche Nähe und die regelmäßigen Bewegungen, die sie noch aus dem Mutterleib kennen, vermitteln die notwendige Sicherheit. Alleine schlafen widerspricht diesem angeborenen Schutzmechanismus.

Einschlafbegleitung bedeutet nicht, dass der komplette Schlaf begleitet werden muss, sondern nur das Einschlafen. Sie können Ihr Kind im Familienbett oder im eigenen Kinderbett in den Schlaf begleiten. Schläft das Kind, können sich die Erwachsenen selbstverständlich anderen Dingen widmen und müssen nicht mitschlafen. Wacht das Baby auf, sollte ihm umgehend signalisiert werden: Du bist nicht allein, ich bin da. Eine rasche Rückkehr zum aufgewachten Säugling vermittelt nicht nur Sicherheit, sondern sorgt auch für ein schnelles Wiedereinschlafen.

Einschlafbegleitung – schlafen lernen mit Verwöhneffekt?

Foto: Ein Vater hält seinen Schlafenden Säugling im Arm.

Was im ersten Lebensjahr meist noch auf Akzeptanz stößt, wird mit zunehmendem Alter gesellschaftlich hinterfragt: „Gewöhnt“ man das Kind durch die stete Anwesenheit beim Einschlafen nicht daran, nur in Gesellschaft einzuschlafen? „Verwöhnt“ man den Nachwuchs damit zu sehr?

Sicherheit und Gesellschaft sind menschliche Grundbedürfnisse, die an sich nichts Verwerfliches an sich haben – schon gar nicht bei kleinen Kindern. Die Einschlafbegleitung sichert dem Nachwuchs eine ganze Portion zusätzlicher Liebe und Zuneigung. Es ist eine Zeit des Tages, die qualitativ ausschließlich für das Kind genutzt wird. Das ist sicherlich ein Wohlfühlelement, auf das später Kleinkinder freiwillig ungern verzichten, auch wenn es für sie nicht mehr zwingend notwendig ist. Ob und wie lange Sie Ihrem Kind diesen Luxus gönnen, liegt ganz bei Ihnen. Manche Kinder benötigen die Begleitung etwas länger, andere wollen von sich aus früher alleine schlafen.

Einschlafbegleitung – schlafen lernen unter Selbstaufgabe?

Auch bei der Einschlafbegleitung hinterfragen die Eltern irgendwann die Einschlafsituation. Oft geschieht das um den ersten oder zweiten Geburtstag herum. Die zwingende Notwendigkeit der Einschlafbegleitung ist nicht mehr gegeben, das Kind versteht, zumindest theoretisch, dass die Eltern nach einem Abend voller gemeinsamer Spielzeit noch andere Dinge zu tun haben. Manchmal ist auch eine Änderung des kindlichen Schlafrhythmus ausschlaggebend. Wenn der Einschlafzeitpunkt weit hinter die Zubettgehzeit rückt, hat man nicht immer Lust und Zeit, die wertvollen Abendstunden größtenteils am Kinderbett zu verbringen und möchte selbst irgendwann Feierabend machen. Völlig legitim, kein Grund für Selbstzweifel, aber auch nicht für überstürzte Abnabelungsaktionen. Schlafen lernen können Eltern nur unterstützend begleiten, wenn auch sie selbst nicht auf Dauer zu kurz kommen. Zeitlich ausufernder Einschlafbegleitung kann auf verschiedenen Wegen entgegengewirkt werden.

Schlafenszeit beachten

Ist der Schlafbedarf des Kindes über die Zeit gesunken und die Schlafenszeit passt nicht mehr, verschieben Sie das Zubettgehen doch einfach nach hinten. Lassen Sie das Kind erst ins Bett gehen, wenn es tatsächlich müde ist. Sie schlafen schließlich auch nicht ein, wenn Sie sich hellwach hinlegen.

Mittagsschlaf kürzen oder streichen

Foto: Ein Kind schläft im Hochstuhl.

Ausschlaggebend für Kinder ist die täglich benötigte Gesamtschlafdauer und bis zu welchem Alter der Mittagsschlaf tatsächlich gebraucht wird. Letzteres ist von Kind zu Kind verschieden. Eine Veränderung der Mittagsschlafenszeit oder ihre komplette Streichung wirkt sich in jedem Fall auf die Dauer des Nachtschlafs und den Einschlafzeitpunkt aus. Nach einer Umgewöhnungsphase von ein bis zwei Wochen, in denen die Abendstunden sicherlich von zunehmendem Quengeln begleitet sind, verschiebt sich die abendliche Einschlafzeit recht zuverlässig nach vorn.

Morgens früher wecken

Haben Sie eine Nachteule zu Hause, die morgens gern etwas länger schläft? An Wochenenden vermutlich ein echter Glücksgriff. Eine frühere Weckzeit am Morgen kann langfristig eine frühere Zubettgehzeit bewirken. Hierbei gilt es jedoch zu beachten, dass lediglich leichte Verschiebungen im Rahmen des natürlichen Schlaftyps möglich sind.

Alleine schlafen lernen – ab welchem Alter?

Foto: Ein kleines Mädchen mit Teddybären in der Hand steht vor einer Wand. Ihr Schatten zeigt eine tanzende Ballerina.

Ab wann Kinder alleine schlafen lernen können, kann man nicht ganz genau definieren. In Sachen Erziehung gibt es kein Patentrezept. Anhand der vielfältigen negativen Auswirkungen des Alleinlassens bei Säuglingen und Babys kann nur von einem zu frühen Start dieser Selbstständigkeit abgeraten werden. Ab dem zweiten oder dritten Lebensjahr heißt es dann einfach: ausprobieren. Bei manchen Kindern reicht es, wenn man ihnen mitteilt, dass sie nun groß sind und große Kinder alleine schlafen können. Bei anderen wird lange am gemeinsamen Einschlafen festgehalten. Wichtig ist in jedem Falle, dass Sie auf Ihr Kind und Ihr Bauchgefühl hören. Unzufriedenheit und Wut über die neue „erwachsene“ Schlafsituation sind manchmal notwendige Schritte in der Ablösung. Äußert Ihr Kind hingegen Angst oder entwickelt tatsächlich Panik und gerät unter akuten Stress, lassen Sie es nicht allein. Signalisieren Sie Ihrem Kind, dass seine Ängste ernst genommen werden und Sie in der Nähe sind, wenn es Sie braucht. Mit dieser Sicherheit wird es nach und nach alleine schlafen lernen.

Schlafen lernen – Schritt für Schritt

Bei einigen Kindern funktioniert die sogenannte Stuhlmethode. Statt sich dazuzulegen, entfernen Sie sich in mehreren Nächten immer weiter vom Bett des Kindes. Sie begleiten das Einschlafen in Sichtweite von einem Stuhl aus, der Abend für Abend immer weiter zur Zimmertür wandert und bald hinter dieser verschwindet. Die Sicherheit Ihrer Anwesenheit trotz des Ausbleibens der unmittelbaren Nähe kann so schrittweise Akzeptanz finden.

Familienbett, Elternbett oder Kinderbett?

Foto: Eine Familie tobt und kuschelt gemeinsam im Bett.
Beim Thema schlafen lernen entflammen häufig Diskussionen um die Vorherrschaft im Bett. Wem gehört welches Bett? Wer darf alles mit ins Bett? In Skandinavien schlafen Kinder oft bis zum Vorschulalter im Familienbett. Andere holen gegenüber Kindern, die sich des Nachts ins Elternbett schleichen, wieder das Verwöhn-Argument aus der Schublade. Auch hier hilft der bindungsorientierte Ansatz, Verständnis für die Ängste des Kindes zu haben. Haben Sie keine Scheu vor vermeintlicher Inkonsequenz. Wer einem ängstlichen Kind erlaubt, sich nachts ins Elternbett zu flüchten, sorgt für eine ruhigere Nacht bei allen Beteiligten und wirkt späteren Angst- und Schlafstörungen frühzeitig entgegen. Sprich: Ängste ernstnehmen und wegkuscheln hilft nachhaltiger, als sie für Unsinn zu erklären. Davon gehen sie nämlich nicht weg, sondern das Kind ist ihnen allein ausgesetzt. An schlafen lernen ist dann kaum zu denken.

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