Chronische Müdigkeit – wenn müde sein krankhaft wird
ZULETZT Aktualisiert: 18. Dezember 2023
Wieder einmal zu spät ins Bett gekommen, viel zu früh aufgestanden und schlecht geschlafen – ein ermüdender Tag und die Sehnsucht nach dem Bett sind vorprogrammiert. Doch was ist, wenn Ausschlafen nicht mehr hilft und die Erschöpfung in chronische Müdigkeit umschwenkt? Anhaltender Stress oder mangelnde Schlafqualität können chronische Müdigkeit hervorrufen. Allerdings sollte die hartnäckige Erschöpfung ernst genommen werden. Chronische Müdigkeit kann nicht nur die Begleiterscheinung einer Krankheit sein, sondern ist das manifestierte Symptom des chronischen Erschöpfungssyndroms – eine kaum bekannte Krankheit.
Müdigkeit ist ein Schutz, damit der Körper sich regelmäßig regenerieren kann. Je länger die Müdigkeit andauert, desto mehr körperliche Beschwerden reihen sich ein. Chronische Müdigkeit führt zu Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten und die emotionale Empfindlichkeit nimmt zu. Durch diese Einschnitte fällt es einem schwer, den Alltag zu meistern oder sich in die Gesellschaft einzubringen. Es fehlt ein Stück Lebensqualität.
Ursachen für chronische Müdigkeit
Chronische Müdigkeit – der erste Gedanke ist: „Einmal richtig ausschlafen.“ Häufig stimmt das auch. Verantwortlich dafür ist ein Schlafdefizit, verursacht durch mangelnde Schlafqualität. Schuld können zum Beispiel Schlafstörungen sein, wie Einschlaf- oder Durchschlafprobleme. Die chronische Müdigkeit kann auch ein Hinweis für eine Hypersomnie sein. Ein Zustand, der eine ausgeprägte Müdigkeit bis hin zu einer exzessiven Tagesschläfrigkeit hervorrufen kann. Je nach Form kann es zu Einschlafattacken kommen.
Unregelmäßige Schlafenszeiten, zu spätes Zubettgehen und zu frühes Aufstehen über einen langen Zeitraum fördern ebenfalls die chronische Müdigkeit. Die Schlafdauer ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Finden Sie heraus, wie viel Schlaf Sie benötigen, um auf Ihr Pensum zu kommen.
Chronische Müdigkeit in verschiedenen Lebensphasen
Jugendlichen wird nachgesagt, sie seien faul und würden den ganzen Tag nur schlafen. An diesem Vorurteil ist die hormonelle Umstellung schuldtragend. Die innere Uhr stellt sich um. Bei Pubertierenden verschiebt sich die Melatoninausschüttung nach hinten, weswegen die Heranwachsenden länger wach bleiben. Allerdings kollidiert dann das frühe Aufstehen mit diesem biologischen Phänomen und die Jugendlichen klagen über chronische Müdigkeit. Andersherum wird älteren Menschen unterstellt, sie würden weniger Schlaf benötigen als die jüngeren. In diesem Fall verschiebt sich der Tag-Nacht-Rhythmus. Mit voranschreitendem Alter verändern sich viele Abläufe im Körper – das Hören und das Sehen lassen nach und die Bewegungen werden langsamer. Das kann dazu führen, dass viele Senioren weniger Zeit im Freien verbringen und somit ein wichtiger Taktgeber für den Schlaf fehlt – das Tageslicht. Hinzu kommen altersbedingte Beeinträchtigungen wie das nächtliche Wasserlassen. Der Schlaf wird gestört und die chronische Müdigkeit stellt sich ein.
Ein ungesunder Lebensstil macht müde
Veränderungen und Dauerbelastungen im privaten oder beruflichen Leben schlagen aufs Gemüt. Besonders Eltern, die beide berufstätig sind und sich zu gleichen Teilen um den Haushalt und die Kindererziehung kümmern, können mit diesem Spagat überfordert sein. Der daraus resultierende Stress kann zur emotionalen Erschöpfung führen und in ein Burn-out-Syndrom umschlagen. Ein ähnliches Phänomen ruft eine ständige Unterforderung hervor: das Boreout-Syndrom. Die anhaltende Langeweile kann mit Depressionen, Kopfschmerzen und Antriebslosigkeit auftreten. Chronische Müdigkeit gehört bei beiden Krankheitsbildern dazu.
Ähnlich ist es mit Bewegungsmangel. Bleibt regelmäßiges Bewegen aus, wird chronische Müdigkeit zum täglichen Begleiter. Zu den drei Säulen der Gesundheit gehört neben der Entspannung und der Bewegung auch die Ernährung. Wer sich immerzu ungesund ernährt, also zum Beispiel nur fettiges Essen und nicht genügend Flüssigkeit zu sich nimmt, schafft eine Basis für die chronische Müdigkeit. Der Flüssigkeitsmangel führt zu dickflüssigem Blut. Das Herz muss stärker arbeiten, um alle Organe ausreichend mit Blut zu versorgen. Durch die fetthaltige Ernährung fließt mehr Blut in die Verdauungsorgane, um die Verdauung anzuregen. In beiden Fällen erhält das Gehirn weniger Sauerstoff, was auf Dauer eine chronische Müdigkeit verursacht. Eine unausgewogene Ernährung bringt einen Vitaminmangel mit sich, wodurch sich der Körper schlapp fühlt und sich ebenfalls eine chronische Müdigkeit einstellt.
Die chronische Müdigkeit ist nicht nur ein Indiz für Krankheiten, sondern kann auch Krankheiten hervorrufen. Wenn Müdigkeit ein Dauerzustand wird, kommen immer mehr körperliche als auch psychische Beschwerden dazu. Es bildet sich ein Teufelskreis. Wer ständig antriebslos ist, hat weniger Motivation. Die Lust nach Bewegung wird geringer. Permanente Reizbarkeit erschwert den Kontakt zu anderen. Die Einsamkeit kann zu Depressionen führen.
Chronische Müdigkeit als Symptom
Müdigkeit ist häufig das erste Anzeichen dafür, dass dem Körper etwas fehlt – Schlaf, Bewegung, Sauerstoff oder Flüssigkeit. Sie zeigt aber auch, dass etwas nicht stimmt. Infektionen oder Entzündungen, wie eine Grippe oder eine Nasennebenhöhlenentzündung, beanspruchen das Immunsystem und die Abwehrkräfte kämpfen verstärkt gegen die Viren oder Bakterien. Die anhaltende Belastung schwächt den Körper, sodass die Müdigkeit noch nachwirkt, obwohl die Erkrankung schon auskuriert ist. Chronische Müdigkeit begleitet sowohl körperliche Erkrankungen, wie Blutarmut, Herzrhythmusstörungen oder eine Schilddrüsenfehlfunktion als auch psychische Erkrankungen, wie Depressionen oder Angststörungen.
Auch Parkinson- oder Demenzerkrankte berichten von anhaltender Müdigkeit. Bei neurologischen Erkrankungen liegt eine Störung unter anderem im Gehirn vor. Das Gehirn steuert fast alle Vorgänge im Körper. Sind die Gehirnnerven erkrankt, kommt es zu unterschiedlichen Ausfällen und Beschwerden, chronische Müdigkeit ist eine davon. Eine gute Matratze kann Linderung verschaffen und ist so ein Baustein mit denen wir chronischen Erkrankungen wie Demenz vorbeugen können.
Fatigue – chronische Müdigkeit bei Krebspatienten
Der französische Begriff Fatigue (Müdigkeit) beschreibt die chronische Müdigkeit bei Krebspatienten. Das Erscheinungsbild ist variabel und zeigt sich sowohl körperlich als auch geistig. Zu den typischen Anzeichen gehören eine reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit, Motivations- und Antriebslosigkeit sowie ein anhaltendes Müdigkeitsgefühl, das sich durch Schlaf nicht beseitigen lässt. Wissenschaftler sind sich noch nicht sicher über die genaue Entstehung von Fatigue. Es wird angenommen, dass sie ein Resultat mehrerer Auslöser sei. Ebenso ist ungeklärt, warum manche Menschen daran leiden und andere nicht.
Sowohl der Tumor selbst als auch die Behandlung greifen in den Stoffwechselprozess und in den Hormonkreislauf ein. Eine fortgeschrittene Krebserkrankung und damit auch das Tumorwachstum schwächen den Körper. Hinzu kommen weitere Faktoren wie Gewichtsverlust oder Muskelabbau, die die Müdigkeit begünstigen. Zudem können Nebenwirkungen der Medikamente oder auch Schlaflosigkeit die Psyche beeinflussen. Depressionen und Angststörungen machen sich breit und deren Begleiter ist die chronische Müdigkeit. Die Bestrahlung einer Chemotherapie schädigt neben den Krebszellen auch die gesunden Zellen. So verändert sich zum Beispiel die Zusammensetzung des Bluts. Dadurch kann es zu Blutarmut kommen. In dem Fall werden die Organe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Chronische Müdigkeit kann auch noch mehrere Wochen oder Monate nach einer Krebsbehandlung auftreten.
Chronisches Erschöpfungssyndrom
Das chronische Erschöpfungssyndrom (chronic fatigue syndrom) oder auch Myalgische Enzephalomyelitis, abgekürzt ME/CFS, ist eine noch wenig erforschte Erkrankung des Nerven- und Immunsystems. Sie überfällt einen plötzlich nach einem Infekt, manchmal tritt sie auch schleichend ein. Chronische Müdigkeit, sowohl körperlich als auch geistig, ist das Leitsymptom. Übliche Aktivitäten wie Zähneputzen, Duschen, Kochen oder Lesen kosten viel Energie. Die Kraftlosigkeit hält teilweise noch Stunden oder Tage nach der Anstrengung an. Es ist zu vergleichen mit einem kaputten Akku. Trotz genügend Schlaf ist die Leistung bei weniger als 50 Prozent.
Die Krankheit wird in vier Schweregrade eingestuft: leicht, mittelschwer, schwer und sehr schwer. Selbst in der niedrigsten Abstufung sind die Erkrankten so stark eingeschränkt, dass sie entweder in Teilzeit oder gar nicht mehr arbeiten. In extremen Fällen sind die Betroffenen bettlägerig oder können das Haus kaum noch verlassen, was sie zu Pflegefällen macht. Nicht nur chronische Müdigkeit fällt den Betroffenen zur Last, sondern weitere Symptome wie Herzrasen oder Schwindel führen zu Kreislaufproblemen. Langes Stehen oder Sitzen erschwert sich dadurch. Hinzu kommen allgemeine Krankheitssymptome wie Halsschmerzen, Glieder- und Muskelschmerzen oder migräneartige Kopfschmerzen.
Da das chronische Erschöpfungssyndrom im Anschluss eines Virusinfekts auftritt, könnte das Coronavirus die Anzahl der Betroffenen erhöhen. Professor Carmen Scheibenbogen, Leiterin der Immundefekt-Ambulanz der Berliner Charité, sagt dazu: „Wir hatten die meisten Infizierten im März und im April. Eine ganze Reihe junger Menschen, die gar nicht so schwere Coronavirusinfektionen haben, klagen anhaltend über Symptome und es sind auch Symptome, die wir vom chronischen Fatigue Syndrom kennen. Ob sich am Ende ein chronisches Fatigue Syndrom daraus entwickeln wird, können wir noch nicht sagen.“
Diagnose von ME/CFS
Da bisher ein eindeutiger Biomarker fehlt, zum Beispiel in Form eines Bluttests, besteht der Weg zur Diagnose eines chronischen Erschöpfungssyndroms aus vielen Arztbesuchen. Erschöpfung ist bei vielen Krankheiten eine Begleiterscheinung, dies erschwert die Diagnose. Nach einem Ausschlussverfahren anderer Krankheiten und anhand eines Kriterienkataloges der Symptome wird die Diagnose gestellt. Die chronische Müdigkeit nach einer Anstrengung ist das Hauptsymptom, dazu müssen mindestens vier weitere Nebensymptome vorliegen.
Therapie des chronischen Erschöpfungssyndroms
Genau so wenig wie es eine eindeutige Diagnose gibt, gibt es auch keine einheitliche Therapie. Die Behandlung wird an die einzelnen Patienten und deren Symptome angepasst. Durch die chronische Müdigkeit ist es für die meisten Betroffenen förderlich, wenn sie sich ihre Kräfte gut einteilen und sich reichlich Ruhepausen gönnen. Weiterhin sollte der Körper mit Vitaminen und Spurenelementen im Rahmen einer gesunden Ernährung versorgt werden.
Mehr Aufmerksamkeit für mehr Forschung
Das chronische Erschöpfungssyndrom ist mit bis zu 250.000 Betroffenen in Deutschland keine seltene Krankheit. Die Dunkelziffer ist vermutlich größer, da ME/CFS selten diagnostiziert wird. Die Krankheit fliegt unter dem Radar und ist bei vielen Ärzten nicht bekannt. Obwohl die World Health Organisation ME/CFS als neurologische Erkrankung klassifiziert, fehlt das Krankheitsbild im Lernzielkatalog für die Medizinerausbildung und wird somit an den Universitäten nicht gelehrt. Das führt dazu, dass viele nichts von ihrer Erkrankung wissen oder eine Fehldiagnose erhalten, da chronische Müdigkeit auf verschiedene Krankheiten hindeutet. Durch die ärztliche Unwissenheit fühlen sich die Betroffenen nicht ernst genommen und verlieren das Vertrauen in die Ärzte.
Verschiedene Reportagen, Filme und Aufklärungskampagnen sollen über das chronische Erschöpfungssyndrom informieren und aufklären. Ebenso fordern Patientenorganisationen in Deutschland einen runden Tisch mit der Politik. Es sollen mehr finanzielle Mittel in die Forschung gesteckt werden. Zudem findet seit 1992 jährlich am 12. Mai in vielen Ländern der „International ME/CFS Awareness Day“ statt. Das Datum ist dem Geburtstag der englischen Krankenschwester Florence Nightingale gewidmet, die selbst an ME/CFS erkrankte.